Gedanken und Ideen der AG Gemeinwohl-Ökonomie
Der Gedanke der Gemeinwohl-Ökonomie ist: Wie kann es sein, dass es eine so gravierende Diskrepanz gibt zwischen den Werten, die für unsere alltäglichen zwischenmenschlichen Beziehungen gelten (Vertrauen, Ehrlichkeit, Kooperation und Teilen), und den zugrundeliegenden Werten der „freien“ Marktwirtschaft (Gewinnstreben und Konkurrenz)? Das Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie (nachfolgend: GWÖ) strebt an, unsere menschlichen Werte wieder zum Maßstab auch des wirtschaftlichen Handelns zu machen.
GWÖ muss im Kontext der globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen gesehen werden, die verpflichtend für alle Mitglieder sind. Hieraus leiten sich auf politischer Ebene Konzepte für nachhaltige Entwicklung ab, und zwar sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene (z.B. Landesentwicklungskonzept Schleswig-Holstein). Die Umsetzung solcher Strategien wird auf kommunaler Ebene u.a. durch das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) gefördert. Wichtig ist hierbei, einen Paradigmenwechsel herbeizuführen, der zu einer neuen Nachhaltigkeitskultur führt: vom Reden ins Tun kommen.
Gerade für die Kirche ist dies eine große Chance, sich in einer Vorbildfunktion zu zeigen und den erforderlichen Paradigmenwechsel in einen theologischen Kontext zu stellen. Hierzu müssen auch gesamtgesellschaftliche Forderungen klar definiert werden, damit die Kirche wieder eine Vorreiterrolle einnimmt, wie sie es z.B. in der Friedens- und Umweltbewegung lange Zeit hatte. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass es gerade bei kirchlichen Kunden (z.B. des CJK) häufig Umsetzungsprobleme gibt, da ein erhöhter Preis für ein nachhaltiges Angebot gelegentlich die preisliche Schmerzgrenze überschreitet.
Es lässt sich aber feststellen, dass ein Bedürfnis nach alternativen Optionen für das wirtschaftliche Handeln eindeutig vorhanden ist. Hier müssen durch praktische Beispiele („best practices“) Vorbilder geschaffen werden. So finden beispielsweise erfolgreiche kommunale Car-Sharing Projekte schnell Nachahmer. Auch deswegen sind Kooperationen mit dem Kreis und den Kommunalgemeinden anzustreben.
Für das Christian Jensen Kolleg stellte der kaufmännischer Geschäftsführer Stefan Schütt den Prozess der Zertifizierung exemplarisch dar. Hier wurde die Gemeinwohlbilanzierung im Jahr 2015 durchgeführt. Der Prozess orientiert sich an der Gemeinwohl-Matrix, welche die Werte Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit und Transparenz und Mitbestimmung in den Beziehungen mit Lieferanten, Partner, Mitarbeitenden und Kunden in den Mittelpunkt stellt (s. Anlage). Ein unmittelbarer Erfolg des Prozesses ist gewesen, dass die Ausgabe von vegetarischen Gerichten von 10 % auf 50 % gestiegen ist.
In Nordfriesland machen sich drei Kommunalgemeinden auf den Weg der Gemeinwohlbilanzierung: Braderup-Klixbüll, Breklum und Bordelum. Hierbei waren auf der einen Seite Widerstände sowohl in den Gemeinden als auch den zuständigen Ämtern zu überwinden, gleichzeitig zeigt sich aber auch großes Interesse und Zuarbeit von Bürger*innen aus den Gemeinden. Für den Bürgermeister aus Braderup-Klixbüll, Herrn Werner Schweizer, sind die zentralen Ansatzpunkte der Kommunalpolitik die Landwirtschaft, die Erneuerbaren Energien (rückläufig) sowie der Tourismus (zunehmend). Gleichzeitig versucht die Kirchengemeinde Braderup-Klixbüll, eine engere Verzahnung von Kirche und Landwirtschaft herstellen, und hierfür einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb etablieren. Ziel ist ein nach ökologischen Kriterien arbeitender Hof, der regionale Produkte nach Möglichkeit direkt vermarktet. Denkbar wäre hier auch das Modell der Solidarischen Landwirtschaft. Das CJK wäre sehr daran interessiert, Produkte aus Solidarischer Landwirtschaft zu beziehen.
Der Kreis Nordfriesland strebt an, eine Gemeinwohl-Modellregion zu werden und ist hier an einer engen Kooperation mit anderen Akteuren (wie auch dem Kirchenkreis) interessiert. Hierüber gibt es sowohl auf der Leitungs- als auch auf der Arbeitsebene einen Austausch.
Weitere Überlegungen zur Implementierung von an Gemeinwohl und Nachhaltigkeit orientierten Maßnahmen waren:
• Bahn Card für alle Mitarbeitenden, um Dienst- sowie Privatreisen von der Straße auf die Schiene zu verlagern,
• CO2-Gutscheine, die getauscht werden können (Emissionshandel im Kleinen),
• Förderung von e-Fahrrädern für Mitarbeitende,
• Änderung im Formular zur Fahrtkostenerstattung, so dass ein Teil der Kilometerpauschale an die Klima-Kollekte gespendet werden kann,
• Anreize zur Verringerung von Flugreisen schaffen, bzw. für das Modell der CO2-Kompensation werden,
• Vorbilder seitens der Teilnehmenden des diesjährigen Nachhaltigkeitspreises Schleswig-Holstein in die Bildungsarbeit einbinden,
• Anregungen schaffen durch die Darstellung von Positivbeispielen (empfehlenswert ist hier u.a. der Film „Tomorrow – Die Welt ist voller Lösungen“ (2015).
Gemeinwohl-Ökonomie ist ein Querschnittsthema. Strategisch muss die Ausrichtung am Gemeinwohl für den Kirchenkreis Nordfriesland zwei Ziele verfolgen:
• Beitrag zum erforderlichen Paradigmenwechsel durch Bildungsarbeit insbes. dem „Story-telling“ über erfolgreiche Beispiele, und
• Vorbildfunktion durch die Zertifizierung eigener Einrichtungen (Dienste und Werke).